Ja! Nein! Vielleicht… aber wann?
Wer in der Gemeinderatssitzung am 05.10. auf eine eindeutige Entscheidung für oder gegen das Projekt gehofft hatte, wurde im Verlauf der Debatte eines Besseren belehrt. Politik lebt von Mehrheiten – und die waren am Ende nicht eindeutig vorhersehbar. Letztlich wurde die Entscheidung im Prinzip vertagt. Was also war passiert und wie haben sich die Fraktionen positioniert?
Ausgangslage der Debatte waren die beiden Drucksachen der Verwaltung zur „Prioritätenliste Radwegprojekte“ und der „Entscheidung zur Weiterarbeit am Projekt auf Basis der Vorplanungsergebnisse“. Zusätzlich waren im Vorfeld zwei gemeinsame Anträge der Fraktionen Die GRÜNEN und SPD eingereicht worden, die einerseits eine zeitliche Beschleunigung der Umsetzung aller Radwegprojekte, sowie eine Aufstockung der Planungsstellen in der Verwaltung fordern. Kurz vor der Sitzung wurde ein weiterer Antrag seitens der Fraktion Pro Heilbronn eingereicht mit der Forderung, die Umsetzung des Projekts um mindestens 10 Jahre bzw. unmittelbar nach Freigabe der Zuschüsse vorzuziehen.
Zunächst stellte Stadtrat und Vereinsmitglied Wolf Theilacker seine persönliche und von der GRÜNEN-Fraktion mitgetragene Motivation für das Projekt in einem leidenschaftlichen Plädoyer noch einmal dar. Er warb für eine schnelle Umsetzung, um die aktuell günstige Fördersituation zu nutzen. Außerdem erläuterte er die Hintergründe für den Antrag zu drei weiteren Radverkehrsplanungs-Stellen, um beispielsweise auch die vielen gemeldeten Schulradweg-Mängel zügiger abarbeiten zu können.
Unterstützung bekam er dabei in allen Punkten von der SPD-Fraktion, für die Stadtrat Rainer Hinderer die Stärkung der Radinfrastruktur als wichtigen Beitrag zum Mobilitätskonzept hervorhob. Vor diesem Hintergrund erfülle die Prioritätenliste der Verwaltung den eigenen Anspruch auf einen schnellen Ausbau des Radnetzes nicht. (Spätestens nach diesem Beitrag war klar, dass die beiden Drucksachen im weiteren Verlauf nicht mehr getrennt behandelt werden konnten.)
Für die Gruppierung Pro Heilbronn bekannte sich Stadtrat Alfred Dagenbach als großer Befürworter des Projektes, auch wenn er gleichzeitig einen zu großen Fokus auf der Förderung des Radverkehrs und Bevorteilung des Radfahrer-Klientels im Gegensatz zum Ausbau der Autoverkehrsinfrastruktur sehe.
Stadträtin Susanne Schnepf stellte die Sicht der CDU-Fraktion dar, die grundsätzliches Verständnis für die ausgewiesene Priorisierung der Radwegprojekte habe. In einem teilweise stark emotional geprägten Statement sprach sie sich jedoch deutlich gegen das Bahntrassen-Projekt aus, bei dem sie die ausgewiesenen Kosten als zu gering und die Förderhöhe als fraglich anzweifelte. Sie erkenne hierin keine sinnvolle Erschließungsfunktion und sehe die Standsicherheit (trotz Nachweis des Ingenieurbüros) als nicht dauerhaft gegeben. Sie befürchte, dass für Bau und Unterhalt (in fragwürdig angenommener Höhe) Gelder mit vollen Händen herausgeworfen werden und bezeichnete das Vorhaben und eine weitere Verfolgung in Summe als verantwortungslos.
Nachdem Stadtrat Nico Weinmann, MdL von der FDP-Fraktion daraufhin etwas weniger Emotionalität für die weitere Debatte forderte, stellte er klar, dass aus Sicht seiner Fraktion Investitionen in die Radinfrastruktur grundsätzlich unterstützt werden. Er gab aber auch zu bedenken, dass der weitere Erhalt ebenso gesichert sein müsse. Die Prioritätenliste sah er terminlich nicht in Stein gemeißelt, sondern eher als Richtschnur in Abhängigkeit der im Haushalt zur Verfügung stehenden Mittel. Grundsätzlich bekannte er sich zu zwei Herzen in seiner Brust: auf der einen Seite den erkennbaren Mehrwert und Reiz der Trasse, auf der anderen Seite aber Zweifel aufgrund ungeklärter Fragen wie Unterhaltskosten und Sicherheitskonzepte.
Die Freien Wähler um Stadtrat Herbert Burkhardt schlossen sich der Sichtweise der FDP-Fraktion an und beantragten ebenfalls die Entscheidung zu vertagen, bis die angesprochenen offenen Fragen geklärt seien.
Die Unabhängigen für Heilbronn, vertreten durch Stadträtin Marion Rathgeber-Roth, sahen ebenfalls die Prioritätenliste aufgrund der begrenzten Ressourcen als sinnvoll an. Sie bezeichnete das Projekt als außergewöhnlich, mahnte aber eine Blackbox bezüglich der Kosten an und forderte zunächst bestehende Radwege sicherer zu machen und die Entscheidung über den Bahntrassenweg zu vertagen.
Für die Linke wies Stadtrat Konrad Wanner auf den sozialen Aspekt des Projektes hin, durch das auch den Teilen der Bürgerschaft, die sich kein Auto leisten können, eine angemessene Infrastruktur bereitgestellt werde. Er stellte fest, dass das Projekt großen Rückhalt in der Bevölkerung finde.
Abschließend ließ Stadtrat Raphael Benner von der AfD kurz und knapp verlauten, seine Fraktion sei in dieser Debatte neutral eingestellt, weder dafür noch dagegen.
Daraufhin fasste OB Harry Mergel die Diskussion zusammen mit der Feststellung, dass viele berechtigte und nachvollziehbare Argumente für und wider des Projekts genannt worden seien. Die Verhältnismäßigkeit sei Basis für die Prioritätenliste gewesen, weshalb in der Rangfolge Projekte mit Funktionalität vor Prestige gestellt worden seien. Aufgrund der absehbar uneindeutigen Abstimmungslage und dem mehrfach geäußerten Hinweis zur Klärung offener Fragen schlug er vor, den Antrag aus der Drucksache zum Bahntrassenradweg umzuformulieren in: „Die Verwaltung wird beauftragt, das Projekt weiter zu bearbeiten. Die Verwaltung wird einen Vorschlag zur Prioritätenliste und sowie zur Finanzierung erarbeiten und dem Gemeinderat im Rahmen der Haushaltsberatungen vorlegen.„
Ob durch diese Formulierung implizit bereits eine Vorfestlegung auf die Umsetzung suggeriere, wollte Stadtrat Nico Weinmann wissen. Der OB stellte klar, dass dies nicht der Fall sei und die Entscheidung über die weitere Umsetzung damit dann im Rahmen der Haushaltsdebatte geführt werden muss.
Stadtrat Wolf Theilacker akzeptierte den Vorschlag des OB, stellte aber gleichzeitig fest, dass sichergestellt sein müsse, dass die damit vorgeschlagene Aufschiebung nicht förderschädlich sein dürfe. Gleichzeitig konterte er zusammen mit Stadtrat Holger Kimmerle (ebenfalls Die GRÜNEN) die Behauptungen von Stadträtin Schnepf und wies einige ihrer vorherigen Äußerungen – auch mit Blick auf erfolgreiche vergleichbare Projekte außerhalb Heilbronns – als unbegründet und unhaltbar zurück.
Zustimmung kam ebenso von den Stadträten Hinderer und Dagenbach, die beide auch die Sicherstellung der Förderung einforderten.
Stadtrat und CDU-Fraktionsvorsitzender Thomas Randecker wies darauf hin, dass Vergleiche mit anderen Städten und Ländern nicht zielführend seien, da es bei dieser Entscheidung alleine um Heilbronn gehe.
Abschließend wurde die Kenntnisnahme der Drucksache zur Prioritätenliste und die vorgeschlagene Umformulierung des Antrags zum Bahntrassenweg vom Gremium beschlossen. (>Beschluss zu DS151)
De facto ist damit Entscheidung über das Projekt vertagt und wird nun im Rahmen der kommenden Haushaltsdebatten geführt werden. Inwiefern sich das als förderlich oder hinderlich für den Erfolg des Projekts herausstellen wird, bleibt vor dem Hintergrund der dann jeweils aktuellen Finanzlage offen. Leider ist so auch keine Klarheit bezüglich einer möglichen Terminschiene geschaffen worden. Die Tatsache, dass die Verwaltung das Projekt damit aber offiziell zunächst weiter bearbeiten darf, kann aber durchaus als kleiner Erfolg gewertet werden!
Die Heilbronner Stimme war ebenfalls vor Ort und fasst die Diskussion wie folgt zusammen: Artikel auf stimme.de (externer Link), s.a. Pressearchiv.
Seitens Vereinsvorstand haben wir wieder eine Menge über die Fallstricke der (Kommunal-)Politik gelernt. Demokratie ist ein hohes Gut, verlangt aber eben auch Durchhaltevermögen und stabile Mehrheiten. Wir werden die Erkenntnisse der Gemeinderatssitzung in den nächsten Wochen beraten und uns dann festlegen, mit welchem Anspruch wir auf dieser Basis den weiteren Prozess zur Umsetzung des Projekts „Erlebnisweg Lerchenbergtunnel“ und auch der anderen geplanten Radwegprojekte weiter begleiten werden.